Hintergrund
Mit dem Ziel, hervorragende Verdienste um das Theater in seiner Vielfalt zu würdigen, hatte die Schweizerische Gesellschaft für Theaterkultur (SGTK) 1957 den Hans-Reinhart-Ring ins Leben gerufen. Der Ring etablierte sich rasch als die bedeutendste Auszeichnung des Landes im Bereich der Darstellenden Künste und wurde stets spartenübergreifend verliehen.
In einer Vereinbarung mit dem Bundesamt für Kultur hatte die SGTK 2014 den Hans-Reinhart-Ring in den neu geschaffenen, mit 100'000 Franken dotierten Schweizer Grand Prix Theater / Hans-Reinhart-Ring überführt.
2021 wurde diese höchste Auszeichnung der Schweiz in Schweizer Grand Prix Darstellende Künste / Hans-Reinhart-Ring umbenannt. Somit kann der Hans-Reinhart-Ring wieder (wie es von 1957 bis 2013 der Fall war) in allen Bereichen der Bühnenkünste, also auch im Tanz, vergeben werden.
Die SGTK ist weiterhin an der Verleihung beteiligt, indem sie dem Preisträger bzw. der Preisträgerin wie bisher einen speziell hergestellten Ring überreicht. Die SGTK dokumentiert ausserdem das Wirken der jeweiligen Preisträgerin bzw. des Preisträgers im Rahmen ihrer Reihe MIMOS - Schweizer Jahrbuch Darstellende Künste (bis 2020: MIMOS - Schweizer Theater-Jahrbuch) und macht es in den Sprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch einem breiteren Publikum zugänglich.
Lilo Baur erhält den Schweizer Grand Prix Darstellende Künste / Hans-Reinhart-Ring 2024
Lilo Baur, 1958 im Aargau geboren, hat ihre Karriere als Schauspielerin und Regisseurin überwiegend in London und Paris gemacht. Heute arbeitet sie vor allem als Theater- und Opernregisseurin an grossen Häusern wie der Comédie-Française oder der Opéra Comique in Paris. Sie inszeniert aber auch immer wieder in der Schweiz und ist Gastdozentin an der Manufacture in Lausanne. Im Oktober 2023 wurde Une journée particulière nach dem gleichnamigen Film von Ettore Scola im Théâtre de Carouge in Genf uraufgeführt. Grosse Opernproduktionen waren Dido und Aeneas (2011) und Ariane et Barbe Bleu (2012), beide in Dijon. An der Opéra de Lausanne realisierte sie 2013 Lakmé von Léo Delibes und 2014 die Oper Le Pétit Prince von Michaël Levinas. An der Comédie-Française stehen in der kommenden Saison 2024/25 L’Avare von Molière und La Souricière nach Agatha Christie auf dem Spielplan. Ausgehend von er körperlichen Ausdruckskraft und immer in Zusammenarbeit mit dem ganzen Ensemble entwickelt Lilo Baur mit Feinsinn, Sinnlichkeit und einer Prise Humor Bühnenwelten, die das breite Spektrum der menschlichen Seele erforschen.
Cindy Van Acker erhält den Schweizer Grand Prix Darstellende Künste / Hans-Reinhart-Ring 2023
Cindy Van Acker, 1971 in Belgien geboren, ist seit vielen Jahren eine der herausragendsten Choreografinnen der Schweiz. Sie ist sowohl in der etablierten Theaterszene als auch mit ihrer Cie Greffe in der freien Tanzszene international erfolgreich. 1991 kam sie als Tänzerin zum Ballet du Grand Théâtre in Genf. Von Romeo Castellucci eingeladen, präsentierte sie 2005 an der Biennale in Venedig ihr Solo «Corps 00:00». Dieser Auftritt begründete ihren internationalen Erfolg und eine bis heute andauernde Zusammenarbeit mit Castellucci, vor allem in verschiedenen Operninszenierungen wie zum Beispiel «Don Giovanni» bei den Salzburger Festspielen 2021. Die Handschrift der feinsinnigen und widerständigen Choreografin zeigt sich in der minutiösen, fast wissenschaftlichen Ausarbeitung ihrer Kreationen, in denen Körper, Musik und Raum zusammenwirken.
Barbara Frey erhält den Schweizer Grand Prix Darstellende Künste / Hans-Reinhart-Ring 2022
Barbara Frey, geboren 1963 in Basel, arbeitet seit 30 Jahren kontinuierlich als Regisseurin und war von 2009 bis 2019 als erste Frau Intendantin des Schauspielhauses Zürich. Sie studierte in Zürich Germanistik und Philosophie und spielte als Schlagzeugerin in verschiedenen Schweizer Bands. 1988 kam sie als Musikerin und Regieassistentin unter Frank Baumbauer ans Theater Basel. Zu Beginn ihrer Karriere führte sie in der freien Szene Regie. Es folgten Stationen an grossen Theaterhäusern in Deutschland wie am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, der Berliner Schaubühne am Lehniner Platz oder am Bayerischen Staatsschauspiel in München. Für drei Spielzeiten (2021-2023) war sie künstlerische Leiterin der Ruhrtriennale. Sie inszeniert an namhaften deutschsprachigen Bühnen, darunter regelmässig am Burgtheater Wie, und ist als umsichtige Intendantin ein Vorbild in der Theaterszene.
Martin Zimmermann erhält den Schweizer Grand Prix Darstellende Künste / Hans-Reinhart-Ring 2021
Martin Zimmermann, geboren 1970, aufgewachsen im kleinen Dorf Wildberg, erfindet, choreografiert und inszeniert seit über 20 Jahren ein visuelles Theater, das in kaum eine Schublade passt. Nach einer Lehre als Dekorationsgestalter in Zürich schloss er 1995 eine Ausbildung an der Hochschule Centre National des Arts du Cirque (CNAC) in Paris ab. Martin Zimmermann entwickelt skurrile Bühnenwelten und inszeniert darin seine fragilen Figuren und bizarren Objekte. Wenn er nicht selbst mitspielt, lässt er seine Tänzerinnen, Schauspieler und virtuose Artistinnen zu Komplizen seines tragikomischen Universums werden. Im August hatte sein jüngstes Werk «Danse Macabre» Premiere am Zürcher Theater Spektakel. Zur Eröffnung des Tanzfestivals Steps im Frühjahr 2022 entsteht zusammen mit der Tanzkompanie am Theater St. Gallen «Wonderful World».
Jossi Wieler erhält den Schweizer Grand Prix Theater / Hans-Reinhart-Ring 2020
Jossi Wieler, geboren 1951 in Kreuzlingen, lebt heute in Berlin und zählt seit einem Vierteljahrhundert international zu den Erneuerern des Musiktheaters. Er studierte Regie an der Universität Tel Aviv, arbeitete viele Jahre als Schauspielregisseur und erhielt für seine Inszenierungen zahlreiche Auszeichnungen. Seit 1994 inszeniert er gemeinsam mit Sergio Morabito auch für das Musiktheater. Ihre Zusammenarbeit ist geprägt vom gegenseitigen Dialog und von der sinnlichen Durchdringung der jeweiligen Partitur nach ihrer gesellschaftspolitischen Relevanz für die Gegenwart. An der Staatsoper Stuttgart, deren Intendant Jossi Wieler von 2011 bis 2018 war, erarbeitete das Regie-Duo über 25 Produktionen. Ende Februar 2020 realisierten sie Giacomo Meyerbeers «Les Huguenots» am Grand Théâtre de Genève.
Yan Duyvendak erhält den Schweizer Grand Prix Theater / Hans-Reinhart-Ring 2019
Yan Duyvendak, geboren in den Niederlanden, studierte an der École cantonale d’art du Valais und der École supérieure d’art visuel in Genf und lebt heute nach verschiedenen Auslandsaufenthalten (Barcelona, Berlin, Marseille) wieder in Genf. Er nutzt bildende und darstellende Ausdrucksweisen, um soziale und kulturelle Phänomene zu erforschen. Angezogen ist er auch von populären Kulturformen wie Computerspielen, Video, Varieté oder Musical. Mit seinen experimentellen Formen, die er in den letzten Jahren vermehrt auch mit anderen Performerinnen und Peformern entwickelt, erreicht er ein erstaunlich breites Publikum in den verschiedenen Regionen der Schweiz und tourt weltweit. Yan Duyvendak ist ein Künstlernomade, der in der Performancekunst, im Tanz wie auch im Theater geschätzt wird.
Das Theater Sgaramusch erhält den Schweizer Grand Prix Theater / Hans-Reinhart-Ring 2018
Gegründet wurde das Theater Sgaramusch 1982 von Urs Beeler. Seit über 20 Jahren leiten Nora Vonder Mühll und Stefan Colombo das professionelle Kinder- und Jugendtheater. Die beiden künstlerischen Leiter und Schauspieler bringen anregende Stücke ohne didaktischen Zeigefinger auf die Bühne, die auch für Erwachsene sehenswert sind. Beharrlichkeit und Kontinuität zeigen sie in immer neuen Ideen und haben gleichzeitig den Mut Stücke gegen den Mainstream zu kreieren. Mit dieser Auszeichnung soll ihr langjähriges Schaffen honoriert und gleichzeitig auf die Wichtigkeit des Kinder- und Jugendtheaters in der Schweizer Theaterlandschaft hingewiesen werden.
Ursina Lardi erhält den Schweizer Grand Prix Theater / Hans-Reinhart-Ring 2017
Ursina Lardi, geboren 1970 in Samedan, aufgewachsen in Poschiavo, lebt in Berlin. Sie zählt zu den vielseitigsten und radikalsten Schauspielerinnen im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus. Nachdem Ursina Lardi in Chur eine Ausbildung zur Primarlehrerin absolvierte, zog sie 1992 nach Berlin, wo sie bis 1996 an der Hochschule für Schauspielkunst «Ernst Busch» studierte. Ihre Theaterstationen waren Düsseldorf, Frankfurt, Hannover, Hamburg und immer wieder Berlin. Sie hat mit namhaften Theaterregisseur*innen wie Romeo Castellucci, Einar Schleef, Thorsten Lensing, Katie Mitchell und Milo Rau gearbeitet. Seit 2012 ist sie festes Ensemblemitglied der Berliner Schaubühne, unter der künstlerischen Leitung von Thomas Ostermeier. Zu ihren bekanntesten Filmrollen zählen die schwangere Lena in «Traumland» von Petra Volpe (2013), für die sie 2014 den Schweizer Filmpreis als beste Darstellerin gewann, oder die Baronesse Marie-Louise in Michael Hanekes «Das weisse Band» (2009). Einem breiten deutschsprachigen Publikum ist sie ausserdem aus ihren Fernsehrollen im «Tatort» bekannt.
Theater HORA erhält den Schweizer Grand Prix Theater/Hans-Reinhart-Ring 2016
Mit dem Theater HORA wird eine Institution ausgezeichnet, die seit mehr als 25 Jahren Menschen mit einer geistigen Behinderung professionelles Theaterspielen ermöglicht. Bei seiner künstlerischen Arbeit macht HORA keine Kompromisse und ist heute weit über die Landesgrenzen bekannt. Der Theaterpädagoge Michael Elber gründete die Gruppe 1989. Seit 2009 bietet das Theater HORA Menschen mit einer geistigen Behinderung ergänzend eine anerkannte Schauspiel-Ausbildung. Die Produktion «Disabled Theater» des französischen Choreographen Jerôme Bel wurde 2013 zum Berliner Theatertreffen eingeladen und mit einem Schweizer Tanzpreis ausgezeichnet. Seither tourt das Theater HORA weltweit.
Stefan Kaegi erhält den Schweizer Grand Prix Theater/Hans-Reinhart-Ring 2015
Mit Stefan Kaegi und Rimini Protokoll werden Künstler*innen ausgezeichnet, die mit ihrer Arbeit seit mehreren Jahren wesentliche Impulse für die internationale Theaterszene setzen. Neben Kaegi bilden Helgard Haug und Daniel Wetzel das deutsch-schweizerische Kollektiv. Sie gelten als Protagonist*innen und Begründer*innen eines Reality-Trends im Theater. In Form von Bühnenwerken, aber auch Filmen, Hörspielen, Installationen oder ortsspezifischen Aktionen ermöglichen sie ungewöhnliche Sichtweisen auf unsere Wirklichkeit.
Omar Porras erhält den Schweizer Grand Prix Theater / Hans-Reinhart-Ring 2014
Mit Omar Porras wird ein Künstler ausgezeichnet, der massgeblich zum Ansehen des Schweizer Theaterschaffens auf internationaler Ebene beiträgt. Geboren 1963 in Kolumbien, arbeitet Omar Porras seit 1990 in Genf. In den Produktionen des von ihm gegründeten Teatro Malandro übersetzte er oftmals Klassiker in einen ausdrucksstarken, spartenübergreifenden und populären Theaterstil. Seit 2015 leitet Omar Porras das Théâtre Kléber-Méleau in Renens bei Lausanne.